STATION 17 - BRAVO
CD SF 162
VÖ: 20/9/1999
Vertrieb: Indigo (D)
RecRec (CH), Ixthuluh (A)
 
 
 


Ohne falsche Bescheidenschaft: Die STATION 17 freut sich, mit ihrem vierten Album Bravo ihre erklärte Lieblingsplatte zu präsentieren; nach übereinstimmenden Informationen aus dem seit 1989 aktiven Kollektiv ist Bravo DER ERSTE Longplayer, den sich alle Beteiligten, ob geistig behindert oder nicht, in einem Stück anhören wollen - beim Hausputz, auf dem Sofa, an der Bar, wieder und wieder.

Beim '97 Album Scheibe spielte STATION 17 noch mit den produktiven Mißverständnissen, die entstehen, wenn Musiker völlig unterschiedlicher Sozialisation aufeinander treffen: die einen geerdet auf Elektronik, Rock und Jazz, und die anderen geprägt von fast ausschließlichem Interesse an Schlager, Techno, Hörspielen oder Country.
Die gemeinsame neue Idee für Bravo formulierte 17-Obershouter Hoss Becker, als er eine gelungene Session kommentierte: „Danke für Hitparade Platz 1.“ Diese, wenn auch etwas unrealistische Vision, treibt die Musiker von STATION 17 an.

Alle von STATION 17 lieben Popmusik. Daher ist Bravo ein unterhaltsames Album über die Dinge geworden, die wir lieben, wie Nichtstun (Lila Pause), Telefonieren (Telefonnummer), King Kong (Alle Affen), Fußball (FC Ole), Winnetou (Down in Colorado), Tanzen (Wer tanzt humpelt nicht), Rauchen (Ich rauch gern - bei STATION 17 derzeit vor allem Zigarren), Polizeifunk abhören (C.B.Funk), Opa ärgern (Nö Opa) und schöne Frauen (Bäckerblume).
Produziert wurde Bravo überwiegend von Thomas Fehlmann (u.a. Palais Schaumburg, The Orb), der schon beim ersten STATION 17 Album ('91) mitwirkte und dessen Einwirkung dazu beitrug, dieser Produktion die Leichtigkeit und Lässigkeit zu verschaffen, die es braucht, um nicht von dem ideologischen Ballast erdrückt zu werden, der der Band umgehängt wird. Endgültig verabschiedet hat sich die STATION 17 von allem, was mit den Begriffen Irrenkunst und Verrückte zu tun hat. Und es hat auch in der Band ein Generationswechsel stattgefunden.

Ein paar wichtige Aspekte zu Bravo: Ein gutes Popalbum braucht mindestens einen Hit. Da DJ Koze und Cosmic DJ von Fishmob seit langem zu den Fans der Band gehören, war eine Zusammenarbeit naheliegend (Lila Pause, FC Ole). Den Texten und dem Sprechgesang von STATION 17 waren schon bei den vergangenen Alben Nähe zum HipHop attestiert worden (und außerdem, wenn eine Band zu Recht von sich behaupten kann, aus dem Ghetto zu kommen, dann STATION 17).

Seit Jahren ist ein Phänomen zu beobachten: In den Einrichtungen der Behindertenhilfe sammeln sich Instrumente der ersten Technogeneration: Heimorgeln aus den sechziger und siebziger Jahren, Hohner, Elka, Farfisa. Gespendet und entsorgt von wohlmeinenden Bürgern, wenn die ursprünglichen Besitzer gestorben oder in Altersheime umgesiedelt sind. Viele dieser Instrumente landeten bei STATION 17 und gehören zum festen Bestandteil ihres Maschinenparks. Bei diesem Album konnten sie endlich einmal zum Einsatz kommen (etwa in Technomuseum 1 und 2).

STATION 17 - Die Geschichte
1988 Entwicklung der Idee, mit musikalisch interessierten Bewohnern der Wohngruppe 17 der Ev. Stift. Alsterdorf und professionellen Musikern ein Album zu produzieren. Erste Demoaufnahmen.
1989 Die Phonogram beschließt, das Projekt zu finanzieren und zu veröffentlichen, unter der Bedingung, daß es sich um eine Benefizaktion handelt, bei der nach der Veröffentlichung alle Beteiligten auf Lizenzen und Tantiemen zugunsten einer weiterführenden Arbeit verzichten.
1990 Ende des Jahres sind 12 Titel entstanden, unter Beteiligung von Musikern wie Die Toten Hosen, Helloween, Einstürzende Neubauten, Can...
1991 Im März wird das Album STATION 17 veröffentlicht. Mit Mitteln aus dem Verkauf und weiteren Spendengeldern wird ein Raum in der ehemaligen Anstaltsküche als Musikübungsraum eingerichtet. Das Projekt steht eine Zeit lang allen interessierten BewohnerInnen offen und vergrößert sich auf bis zu 50 MusikerInnen, die in acht Formationen musizieren. Mit einem Konzert der Toten Hosen in der Ev. Stift. Alsterdorf beginnt eine zweijährige Konzertreihe, in deren Verlauf viele überwiegend Hamburger Bands in Alsterdorf spielen, z.B. Blumfeld, Die Sterne, Cpt. Kirk &, Di Iries, Mask Four, Gran Theatro Amaro. Im Dezember spielt STATION 17 zum ersten Mal live in der Kulturfabrik Kampnagel im Rahmen einer NDR Fernsehaufzeichnung.
1992 Im Frühjahr Auftritt beim Hamburger Festival für Behinderte und Nichtbehinderte KünstlerInnen Grenzenlos Kultur im Goldbekhaus.
1993 Oktober bis Februar Produktion des zweiten STATION 17-Albums. Erarbeitung eines Live-Konzepts, mit dem die Musiker auch auf Tournee fahren können. Es entwickeln sich die „Rockfraktion“ und das „Jazz-Kollektiv“, die zusammen bis heute die eigentliche Band STATION 17 ausmachen. Im Juni Veröffentlichung des zweiten Albums Genau So beim Hamburger Label What's So Funny About. Präsentation von Band und Album bei einem Konzert in der Hamburger Fabrik. Im August Auftritt in Köln im Rahmen der Musikmesse Popkomm. Mitwirkung in dem Dokumentar/Spielfilm Laebendig von Hannes Schönemann. Im November erste Deutschlandtour durch die Agentur Hinterzimmer. Im Dezember Konzert im Hamburger Logo mit Aufzeichnung durch den NDR (Rundfunk).

1994 Zweite Deutschlandtournee von STATION 17. Mitwirkung beim Dokumentarfilm Eiffe, alle Ampeln auf Gelb von Christian Blau. Im Herbst dritte Deutschland Tournee in Verbindung mit Dreharbeiten zum Projekt STATION 17 - Der Film.

1995 Im Frühjahr des Jahres Fertigstellung des Projekts STATION 17 - Der Film, Regie Hannes Schönemann und Frank Stolp. Premiere im Mai im Alabama Kino.Der Film ist später in verschiedenen Programmkinos und auf mehreren Fernsehkanälen zu sehen. Auftritt in der Fernsehshow 3 Zimmer, Küche, Holger. Im Herbst beginnt die Theaterarbeit mit Einrichtung eines Theaterraums und einem ersten Workshop für den Sommernachtstraum.

1996 Im Frühjahr beginnen die Arbeiten zum neuen Album, die im Sommer zugunsten der Theaterarbeit unterbrochen werden. Während der Entwicklung des Stückes entsteht der Dokumentarfilm Ein neuer Sommernachtstraum von Manfred Bannenberg. Der Film wird im NDR und später auf 3Sat gesendet. Der Sommernachtstraum hat im September Premiere. Die acht geplanten Aufführungen sind schon vor der Premiere ausverkauft, so daß sieben zusätzliche (ausverkaufte) Vorstellungen gegeben werden.

1997 Die Arbeit am dritten Album dauert bis Ende April. Im Februar wird der Sommernachtstraum noch viermal aufgeführt, es folgen weitere Auftritte in Dresden und Zürich. Im September wird das dritte Album von STATION 17 Scheibe, wieder bei What's So Funny About veröffentlicht. Ende November geht die Band auf ihre vierte Deutschlandtournee.

1998 Im Januar gibt STATION 17 ein weiteres Konzert in München, es wird von einem Filmteam der Arbeitsgemeinschaft Behinderte in den Medien aufgezeichnet und in einer halbstündigen Fassung im Frühjahr auf DSF dreimal gesendet. Während des Frühjahres findet die fünfte STATION 17 Tournee statt, vermittelt durch die Berliner Agentur True School Booking. Im September beginnt STATION 17 mit der Arbeit am vierten Album. Seit August laufen die Vorbereitungen für eine neue Theaterproduktion.

1999 Von Februar bis Mai wird das vierte Album, überwiegend von Thomas Fehlmann produziert. Pfingsten sechste Deutschland Tournee. Ende September kommt das vierte Album Bravo beim Hamburger Label What's So Funny About heraus.

2001 Das neue Album erscheint beu MUTE.

spex 9/99 über Bravo von STATION 17 (von Diethmar Dath):
Die Band STATION 17 ist ein Projekt mit Leuten, die in der Ev. Stiftung Alsterdorf leben und, wie man hier hören kann, arbeiten. Nach einer beeindruckenden Debütplatte und einer zweiten, die völlig zutreffend „Genau So“ hieß (denn genau so muß man das machen, wenn man ganz en passant den Jazz neu erfinden, im Übrigen aber vor allem unterhalten und mitreißen will), stürmt man jetzt die Maschinen. Nicht um sie zu zerlegen, mehr in einer Hochstimmung namens Verbrüderung, Verschwisterung, Verwandlung.
DJ Koze, Cosmic DJ und andere Gastkobolde (darunter im Beiheft aus Bescheidenheit nicht genannte, von mir in meinem Wahn aber mühelos rausgehörte historische Prominenz: Professor Pawlow am Reflexomaten, Noam Chomsky spielt die Tiefengrammatik und Claude Shannon amüsiert uns an der informationstheoretischen Grillengeige) sind bei sowas in ihrem Element, und das nennt sich: „Gute Laune dank überhaupt nicht blöd“. Klingen kann sowas folglich nur fabelhaft. Und zwar durchgängig: vom aufs Eis eines heiter durchsichtigen Beats gelegten belebenden Monolog zum Thema „Zeit“ über das unaufmerksame ZuhörInnen mit trügerischen Plings einspinnende Referat in Sachen Telefonnummern („Telefonnummer“), dunkle Knacksvocals in Taca-Tuca-Land („CB Funk), Breitwandwesternmusik („Down in Colorado“) und ein Exempel der neuen Musikrichtung „Natacha-Atlas-Elektro“ („Döner“) bis zum Schluß, einem letzten Besuch im „Technomuseum“ nämlich. Für anspruchsvolle HörerInnen, die sich nicht auslachen lassen wollen wg. Verpassens von feinen Platten.


Pressestimmen zu CD Scheibe (1997)

Stadtrevue Köln „Exquisite samples und selbstbewußte Sounds...“
Süddeutsche Zeitung „Wer sind die Backstreet Boys gegen die Musiker von Station 17?“
Superstar „the real thing eben.“
Prinz „Von dieser Bigband können viele lernen.“
Hamburger Abendblatt „Warmherzig wie anarchistisch und unbedingt hörenswert“
M. Büsser/ Visions „Ihre groovenden Nummern sind unberechenbar spannend und taktlos.“
Der Spiegel „Das ist so gut, daß man eher Zweifel an der mentalen Verfassung der Schöpfer der Originale bekommt.“
Die Woche „...ein humorvoller und lebensfroher Kosmos“
Spex
„Eine großartige Platte.“

 
 
   
 

 

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